«Ohne Training bauen die Muskeln ziemlich schnell ab»

In den Fitnessstudios ist es still – bis vorerst am 28. Februar bleiben sie geschlossen. Iwan Kälin, Geschäftsführer des Küssnachter Gesundheitscenter «Time Out», über den Lockdown, Umsatzeinbruch und wie man sich Zuhause oder Draussen bei Kälte fit hält.

Guten Morgen Iwan Kälin, wie viele Stunden haben Sie heute schon trainiert?

Heute noch gar nicht, schliesslich ist es erst morgens um 09 Uhr. Für mich ist es noch mitten in der Nacht. (lacht)

Werden Sie das Training noch nachholen?

Ja, heute werde ich noch eine Runde joggen gehen.

Seit Dezember ist Ihr Fitnessstudio aufgrund der behördlichen Massnahmen geschlossen. Was machen Sie den ganzen Tag?

Als Geschäftsführer habe ich noch einige Büroarbeiten zu erledigen – diese laufen im Hintergrund ganz normal weiter. Zudem gibt es noch gewisse Sachen aufzuarbeiten. Auch Dinge wie putzen, flicken und die Instandhaltung der Geräte gehören dazu. Zudem bin ich für die Anliegen des Personals da und übernehme administrative Aufgaben, welche normalerweise unsere Fitnessinstruktoren machen. Alle Fitnessinstruktoren sind derzeit zu 100 Prozent in Kurzarbeit. Somit übernehme ich den Rezeptionsdienst unserer Physiotherapie.

Insgesamt haben Sie also nicht weniger Arbeit?

Doch, ich habe insgesamt weniger Arbeit. Es ist natürlich entsprechend ruhiger in unserem Studio und ich kann daher auch etwas vor- und nachgeben.

Was hat die erneute Studioschliessung vergangenen Dezember in Ihnen ausgelöst?

Ich war entspannter als noch im März. Der erste Lockdown hingegen war ein Riesenschock – aus betriebswirtschaftlicher Sicht kam er nämlich zu einem ungünstigeren Zeitpunkt. Der Lockdown im Dezember konnte man voraussehen und man konnte sich schon darauf einstellen. Zudem wussten wir bereits welche Auswirkungen die Studioschliessung haben wird.

Weshalb war der erste Lockdown aus betriebswirtschaftlicher Sicht ungünstiger?

Im Frühling 2019 wurde das Gebäude aufgestockt, wir konnten zusätzliche Räumlichkeiten dazu mieten und das Time Out per September vergrössern. Das verursachte natürlich einige Investitionskosten und brachte eine höhere Mietbelastung mit sich, was sich entsprechend auf die Liquidität im ersten Lockdown auswirkte. Im Sommer und Herbst setzten wir dann diverse Sparmassnahmen um, damit wir auf eine allfällige erneute Schliessung während der 2. Welle vorbereitet sind. Das kommt uns jetzt entgegen.

Können Sie die Massnahmen nachvollziehen?

Ich bin kein Virologe, kann aber nachvollziehen, dass angesichts der hohen Fallzahlen etwas passieren muss. Natürlich ist es hart, dass es nebst der Gastrobranche auch die Fitnessbranche getroffen hat. Für mich ist es schwierig diese Frage abschliessend beantworten zu können, aber jammern bringt auf jeden Fall nichts. Jetzt ist wichtig, dass wir das Beste aus der Situation machen.

Der Bundesrat baute vor rund einer Woche die Härtefallhilfe aus. Jeder Betrieb, der mehr als 40 Tage schliessen muss, erhält vom Staat 20 Prozent des eigentlichen Umsatzes. Ist diese Hilfe ausreichend?

Die ganze Sache ist derzeit noch in Abklärung beim Treuhandbüro. Das Anmeldeverfahren für den Erwerbsersatz läuft noch. Insgesamt ist es einen Tropfen auf den heissen Stein – aber es ist etwas. Man ist natürlich froh um jede Hilfe.  

Haben Sie Angst um die Zukunft Ihres Betriebs?

Mal mehr, mal weniger. Wir haben den grossen Vorteil, dass wir nebenbei noch Physiotherapie anbieten. In diesem Bereich dürfen wir zu unserem Glück weiterarbeiten. Fitness ist in unserem Betrieb ein zweites Standbein und die Krise ist absehbar. Mir drängt sich mehr die Frage auf, was im Sommer und Herbst passieren wird.

Die Homeoffice-Pflicht führt dazu, dass viele nicht mehr im gewohnten Setup arbeiten. Werden Ihre physiotherapeutischen Dienste mehr beansprucht?

Ja, wir spüren eine Zunahme. Dies ist allerdings nicht nur auf das Homeoffice zurückzuführen. Gewisse Menschen spüren jetzt Schmerzen am Rücken und in den Knien, weil sie nicht mehr an den Geräten ihre Übungen absolvieren können. Fitnessstudios sind für die Gesundheit vieler Menschen enorm wichtig.

In der Fitnessbranche ist der Januar normalerweise ein umsatzstarker Monat was das Geschäft mit Neukunden angeht. Wie hoch ist der effektive Verlust in Abozahlen?

Es geht jeweils bereits in den dunklen Wintermonaten los. Im November, Dezember und Januar herrscht normalerweise Hochkonjunktur. Verglichen mit der Zeit vor Corona, haben wir seit März 2020 einen Viertel weniger Fitnessabonnenten. Viele Kunden getrauen sich nicht mehr im Fitnessstudio zu trainieren.  

Wie werden Ihre Kunden für den geschlossenen Zeitraum entschädigt?

Ich wusste lange nicht, was ich in dieser Angelegenheit tun soll. Letztlich habe ich mich mit meinem Team dazu entschieden, dass wir allen Kunden die gesamte Lockdown-Zeit vom 22.Dezember bis Ende Februar schenken. Gemäss den allgemeinen Geschäftsbedingungen wären wir dazu nicht verpflichtet. Dies soll als Dankeschön für unsere Kundschaft gelten.  

Sie sind diplomierter Personal-Trainer. Man hört, dass gewisse Ihrer Berufskollegen seit Corona mehr Anfragen erhalten. Werden Sie auch vermehrt als Personal-Trainer gebucht?

Ich habe keine erhöhte Nachfrage im Bereich des Personaltrainings verspürt. Dies liegt wohl auch daran, dass wir das Personaltraining an den Geräten im Studio durchführen. Sie haben wahrscheinlich auch beobachtet, dass die Leute vermehrt draussen Sport treiben. Zum Beispiel Velofahren.

Für wen eignet sich denn ein Personaltrainer überhaupt?

Da gibt es verschiedene Kategorien: Ein Personal-Trainer kann einem Anfänger den Einstieg erleichtern, kann aber auch einen ambitionierten Breitensportler beim Erreichen seiner Ziele unterstützen.  

Sie haben vorhin angesprochen, dass die Menschen den Sport im Freien entdeckt haben. Haben Sie nicht Angst, dass diese Menschen nicht mehr ins Fitnessstudio zurückkehren?

Während des ersten Lockdowns hatte ich diese Angst tatsächlich. Was ist, wenn die Leute plötzlich merken, dass es auch ohne Fitnessstudio geht? Letztendlich ist es wichtig, dass sich die Leute überhaupt bewegen und etwas für ihre Gesundheit machen. Ein Fitnessstudio hat den Vorteil, dass man bei jedem Wetter trainieren kann. Ganz egal ob es heiss, kalt oder nass ist.

Fitness-Apps und sonstige Online-Angebote erleben derzeit einen regelrechten Boom. Was halten Sie davon?

Es gibt sicher auch gute Online-Angebote und Apps. Meiner Meinung nach eignen sich solche Angebote hauptsächlich für erfahrene Fitnesssportler die ihren Körper kennen. Bei Anfängern bin ich eher etwas vorsichtig. Anfängern empfehle ich ein Online-Angebot, bei dem eine Person an der anderen Leitung direkt ein Feedback geben kann. Eine korrekte Bewegungsausführung ist wichtig, Fehler schleichen sich schnell ein. Da ist eine fachkundige Aufsicht definitiv von Vorteil.

Viele Fitnessstudios bieten Online-Kurse an. Wie sieht dies bei Ihnen aus?

Ob Pilates oder Power Yoga, wir bieten sämtliche Gruppenkurse online an.

Funktioniert dies?

Gewisse Kunden wollen nicht zu Hause trainieren und machen von diesem Angebot keinen Gebrauch. Es gibt allerdings auch viele die unser Online-Angebot nutzen – es funktioniert gut.

Eine Frage die insbesondere die fleissigen Fitnessstudio-Besucher interessiert: Ab wann beginnt der Körper antrainierte Muskeln abzubauen?

Ohne Training bauen die Muskeln leider ziemlich schnell ab. Wenn du zum Beispiel mit einem kaputten Knie im Spital liegst und zwei Wochen lang gar keine Bewegung mehr hast, dann kannst du regelrecht beobachten, wie das Bein dünner wird und an Muskelmasse verliert. Ein gut trainierter Sportler wird nicht alles verlieren, da man davon ausgehen kann, dass er sowieso einen aktiven Lebensstil hat. Zudem holt er die verpasste Trainingszeit schnell wieder auf und kann seinen vorherigen Fitnesslevel auch gut wieder erreichen. Man spricht hier von einem so genannten „Muskel-Gedächtnis“.

Muss ich mir teure Geräte kaufen, wenn ich mich während dem Lockdown fit halten will?

Nein, überhaupt nicht. Spätestens im Frühling landen diese Geräte auf dem Balkon oder im Keller.

Stattdessen soll ich?

Man kann enorm viel mit dem eigenen Körpergewicht trainieren. Dabei können zum Beispiel zwei Mineralflaschen oder ein Besenstiel zur Hilfe genommen werden.

Sie haben vorhin das Training draussen angesprochen. Welche Trends beobachten Sie im Outdoor-Training?

Beim Sport in der Natur verschiebt sich das Training automatisch in den Ausdauerbereich. Velofahren war im Frühling und Sommer extrem im Trend. Jetzt im Winter ist Langlaufen und Schneeschuhlaufen besonders beliebt. Die Leute gehen auch wieder vermehrt joggen – dies ist praktisch bei jedem Wetter möglich.

Sie haben gesagt, dass sich das Outdoor-Training in den Ausdauerbereich verschiebt. Was empfehlen Sie, wenn jemand Krafttraining betreiben will?

Das sind wir wieder bei den Heimübungen. Es eignen sich zum Beispiel Liegestütze, Rumpfbeugen, Kniebeugen oder Ausfallschritte – die Möglichkeiten mit dem eigenen Körpergewicht sind vielfältig. Auch die Vitaparcours eignen sich für Krafttrainings ausserhalb eines Fitnessstudios.

Was muss man beim Outdoor-Training bei kalten Temperaturen beachten?

Es ist wichtig, dass man sich richtig anzieht. Zudem sollte man darauf achten, dass man nicht zu intensiv trainiert. Das Tempo sollte so gewählt werden, dass man ohne Probleme noch Gespräche führen kann. Bei kalten Temperaturen sollte man versuchen durch die Nase zu atmen. Dadurch wird die eingeatmete Luft erwärmt, bevor sie in die Atemwege gelangt. Bei der intensiven Atmung über den Mund könnte das Risiko von Atemwegserkrankungen steigen.  

Es spricht also nichts gegen das Training im Freien?

Nein, auf keinen Fall.

Wie sieht die optimale Kleidung aus?

Oft besteht die Gefahr, dass man zu viel anzieht und dadurch schwitzt und nass wird. Das Schichtenprinzip hat sich bewährt: Das heisst man trägt eine funktionelle Unterkleidung, eine Mittelschicht und einen Wetterschutz. Eine Kopfbedeckung und Handschuhe machen natürlich auch Sinn. Wenn man in den ersten zehn Minuten des Trainings noch etwas kalt hat, dann ist man richtig angezogen. Bei Bewegung verschwindet nämlich das Kältegefühl.

Nicht alle sind sportbegeistert. Welchen Tipp können Sie einem Sportmuffel mit auf den Weg geben?

Suche auf jeden Fall einen Sport, welcher dir Freude bereitet. Suche dir eventuell einen Trainingspartner, damit man sich gegenseitig motivieren kann. Man sollte mit kleinen Schritten beginnen. Auch wenn es nur eine halbe Stunde Training ist, dies ist auf jeden Fall besser als eine halbe Stunde auf dem Sofa zu sitzen.

Interview vom 20.01.21, Pascal Linder

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